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Lübeck: Angriff im Linienbus

Foto: FELIX KOENIG/ EPA-EFE/ REX/ Shutterstock

Messerattacke in Lübecker Bus Angreifer fühlte sich "von Nachbarn verfolgt"

Er zündete wohl seinen Rucksack an und attackierte Insassen eines Busses mit dem Messer: Der Angreifer aus Lübeck leidet anscheinend unter schweren psychischen Problemen - das sagte sein Vater zu SPIEGEL TV.

Völlig durcheinander sitzt Katharina auf dem Kantstein an der Hauptstraße im Lübecker Stadtteil Kücknitz. Immer wieder greift sie zum Handy, seit Stunden versucht sie, ihren Sohn Quentin zu erreichen. Dieser sollte in der Buslinie Nummer 30 nach Travemünde sitzen, so war es abgesprochen. Es sind 27 Grad, mit seinen Freunden wollte er an den Ostseestrand. Jetzt geht er nicht ans Handy, und zurück ist er auch noch nicht.

Ein Bus der Linie 30 steht wenige Meter von Katharina entfernt am Straßenrand. Zehn Menschen sind kurz zuvor bei einem Angriff in diesem Bus verletzt worden, drei von ihnen schwer. Festgenommen hat die Polizei einen 34-jährigen Mann. Er soll mit einem 13 Zentimeter langen Küchenmesser auf die Mitfahrer im Bus eingestochen haben.

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Lübeck: Angriff im Linienbus

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Anhaltspunkte für einen terroristischen Anschlag oder eine politische Radikalisierung gebe es keine, sagt Oberstaatsanwältin Ulla Hingst. Was hat den Täter angetrieben?

SPIEGEL TV sprach mit dem Vater des festgenommenen Mannes. Sein Sohn Ali D. ist in Iran geboren, mit sechs Jahren kam er nach Deutschland. Er besuchte ein Gymnasium, doch er verließ die Schule ohne Abitur. Ali D. diente in der deutschen Bundeswehr; zuletzt war er laut Vater arbeitslos.

Ali D. lebt in einer Wohnung in Lübeck. Der Vater beschreibt seinen Sohn als psychisch auffällig. "Er fühlte sich von den Nachbarn verfolgt." Sein Sohn habe behauptet, dass diese ihn mit schädlichen Strahlenangriffen durch die Wand malträtierten. "Er sagte immer: 'Mein Körper brennt.' Oder: 'Die wollen mir die Augen kaputtmachen.'"

"Frustriert und verärgert"

Außerdem soll sich der 34-Jährige mit seiner Ex-Partnerin um das Sorgerecht gestritten haben. Die gemeinsame Tochter habe Ali D. schon länger nicht mehr sehen dürfen, erzählt der Vater. "Deswegen war er frustriert und verärgert." Sein Sohn habe angekündigt, auswandern zu wollen. Angeblich habe er seine Wohnung schon abgemeldet. Mit Religion hatte Ali D. dem Vater zufolge überhaupt nichts zu tun.

Was genau sich im Innern des Busses um kurz vor 14 Uhr abgespielt hat, ist laut den Behörden nicht ganz klar. Nach ersten Erkenntnissen hatte der Täter einen Rucksack bei sich. Darin befand sich demnach Brandbeschleuniger.

Er stellte den Rucksack offenbar in der Mitte des Gelenkbusses ab, der Rucksack geriet in Brand. Als der Busfahrer das bemerkte, stoppte er den Bus am rechten Straßenrand und versuchte, die Flammen mit einem Feuerlöscher zu bekämpfen.

Anschließend sei der Busfahrer von hinten angegriffen worden, so erzählte er es den "Lübecker Nachrichten". Vermutlich habe der Täter versucht zu verhindern, dass er den Brand lösche. Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) sagte, der Busfahrer sei mit der Faust geschlagen worden.

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Ein Insasse des Busses berichtete, der Täter sei wahllos mit einem Messer auf die Fahrgäste losgegangen. Die Menschen hätten versucht, sich gegen die Angriffe zu verteidigen.

Winterjacke im Sommer

Schlimmeres hat womöglich der Busfahrer verhindert, indem er die Türen öffnete. Die Menschen flohen schreiend aus dem Fahrzeug. Eine Polizeistreife bemerkte den qualmenden Bus und konnte den Täter festnehmen. Ob Polizisten oder Fahrgäste den Täter überwältigt haben, ist nicht klar.

Am Samstagvormittag soll der Mann dem Haftrichter vorgeführt werden. Die Ermittler werfen ihm schwere Körperverletzung und versuchte schwere Brandstiftung vor. Laut Staatsanwaltschaft hat er sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Eine Zeugin sagte, der Mann habe eine Winterjacke getragen. Daher sei er ihr vor der Tat an diesem warmen Tag im Zentrum von Lübeck-Kücknitz aufgefallen. Der Mann habe verwahrlost gewirkt.

Auf dem Gehweg sind auch einige Stunden nach der Tat noch Blutspritzer zu sehen. Innenminister Grote ist wieder weg, seine für den Abend geplante Teilnahme an der Eröffnung der Travemünder Woche sagte er ab.

Der Bus wird abgeschleppt

Der Bus wird abgeschleppt

Foto: CHRISTIAN SCHAFFRATH/EPA-EFE/REX/Shutterstock

Katharina ist eine der letzten, die immer noch am Tatort ausharren. Der Bus ist bereits abgeschleppt. Dann endlich biegt ihr Sohn Quentin um die Ecke. "Ich war zu spät", ruft er. Den Unglücksbus habe er gerade noch wegfahren sehen.

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