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Streit über Atomwaffenabkommen Russland wirft USA Weltmachtfantasie vor

Donald Trump will einen wichtigen Abrüstungsvertrag mit Russland kündigen. Die Reaktion aus Moskau folgt prompt.
Russische Iskander-Rakete (Symbolbild)

Russische Iskander-Rakete (Symbolbild)

Foto: AP/ Russian Defense Ministry

US-Präsident Trump will aus einem wichtigen Abrüstungsvertrag mit Russland aussteigen. Moskaus Antwort auf den US-Vorstoß kam am Sonntagmorgen: Washington habe schon lange an der Zerschlagung des Vertrags gearbeitet. "Und das absichtlich und Schritt für Schritt", zitiert die Agentur Interfax eine namentlich nicht genannte Quelle aus dem russischen Außenministerium.

Der angekündigte Rückzug der USA aus dem mit Russland geschlossenen INF-Vertrag zur Abschaffung von atomwaffenfähigen Mittelstreckenraketen resultiere aus dem Wunsch, alleinige Weltmacht zu sein. "Die Hauptmotivation ist der Traum von einer unipolaren Welt", zitiert die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti am Sonntag ebenfalls eine Ministeriumsquelle. Dieser Traum werde sich aber nicht erfüllen.

Trumps Entscheidung sei "Teil einer US-Strategie, sich von den internationalen Rechtsabkommen zurückzuziehen", die das "Konzept des eigenen 'Exzeptionalismus' gefährden", sagte der russische Ministeriumsmitarbeiter. Washington versuche bereits seit "vielen Jahren", die Grundlage für das Abkommen zu zerstören.

Auch russische Parlamentarier übten Kritik. Die USA hätten keine Beweise für Verstöße Russlands gegen den INF-Vertrag, sagte Franz Klinzewitsch, Mitglied des Föderationsrates. Allerdings sei Trumps Beschluss "nicht überraschend", zitierte ihn die Agentur Tass.

Der US-Präsident habe seine Entscheidung zudem ohne Berücksichtigung der Interessen der europäischen Verbündeten getroffen. "Man will uns, wie seinerzeit die Sowjetunion, in einen Rüstungswettlauf drängen", sagte der Verteidigungs- und Sicherheitsexperte. "Das wird nichts. Ich habe keinen Zweifel, dass unser Land unter allen Umständen seine eigene Sicherheit garantieren kann."

Man werde den INF-Vertrag aufkündigen, hatte Trump am Samstag vor Journalisten in Nevada mitgeteilt. Er warf Moskau vor, gegen das Abkommen verstoßen zu haben: "Wir werden es nicht zulassen, dass sie ein Nuklearabkommen verletzen und sich Waffen zulegen, während es uns nicht erlaubt ist." Sollten Russland und auch China nicht einem neuen Abkommen zustimmen, werde seine Regierung solche Waffen bauen.

In Washington gibt es zahlreiche Hardliner, die lieber heute als morgen mit der Entwicklung von neuen Marschflugkörpern beginnen würden und auch eine Stationierung in Europa fordern. Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton ist derzeit in Moskau, um mit der russischen Seite über das Thema zu reden.

Streitpunkt Raketensystem 9M729

Der INF-Vertrag ist eine Vereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten und der damaligen Sowjetunion aus dem Jahr 1987. Er soll im Krisenfall ein nukleares Inferno in Europa verhindern. Der Vertrag verbietet den Unterzeichnern unter anderem den Bau und den Besitz landgestützter, nuklear bestückbarer Mittelstreckenraketen mit Reichweiten zwischen 500 und 5500 Kilometern. Die USA und Russland werfen sich seit Längerem gegenseitig Verstöße vor.

Die US-Regierung bezieht ihre Anschuldigungen auf das russische Raketensystem 9M729 (Nato-Code SS-C-8). Derzeit ist wenig bekannt über die Waffe. Sie soll eine Weiterentwicklung des seegestützten Marschflugkörper "Kalibr" sein, atomar und konventionell bestückbar sein und eine Reichweite von 2600 Kilometern haben.

Washington beschwert sich seit zwei Jahren, dass der Marschflugkörper vertragswidrig sei. Laut US-Geheimdienstinformationen soll Moskau zwei Bataillone mit der Mittelstreckenrakete ausgerüstet haben. Anfang des Monats machten die 28 Mitgliedstaaten der Nato deswegen Druck auf Moskau und forderten Putins Regierung auf, glaubwürdige Angaben zu dem Raketensystem vorzulegen.

Die Abrüstungsverträge brauchen eine Erneuerung

Moskau hatte wiederholt bestritten, dass sein Raketensystem gegen den Vertrag verstößt. Der russische Präsident Wladimir Putin behauptet nun im Gegenzug, von den Abschussrampen des Nato-Raketenschutzschirms in Rumänien könnten ebenfalls jederzeit atomar bestückte US-Marschflugkörper gestartet werden. Die Nato bestreitet, dass das Abwehrsystem gegen Russland gerichtet sei. Der 800 Millionen teure Schutzschirm ist laut Nato vor allem dazu gedacht, mögliche Angriffe Irans abfangen zu können.

Trumps Ankündigung dürfte für neue Spannungen zwischen den beiden Ländern sorgen. Trump gilt zwar als russlandfreundlich und hat Putin wiederholt gelobt. Seine Regierung verfolgt aber dennoch einen scharfen Kurs gegenüber dem Kreml und hat etwa wiederholt Sanktionen gegen Moskau verhängt.

Die Abrüstungsverträge sind einer der Streitpunkte zwischen den beiden Militärmächten. Das ausgeklügelte System ist in die Jahre gekommen und braucht eine Erneuerung. Das jüngste und weitreichendste Abkommen, der New START-Vertrag von 2010, läuft 2020 aus. Den ABM-Vertrag zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen haben die USA schon 2002 gekündigt.

löw/dpa/AFP