BamS-Reporter über den Kirchen-Sumpf: Wie tief die katholische Kirche gesunken ist

BamS-Reporter Max W. Boeddeker wurde selbst von einem Pater missbraucht

Der emeritierte Papst Benedikt XVI (Joseph Ratzinger, 94) im Jahr 2005

Der emeritierte Papst Benedikt XVI (Joseph Ratzinger, 94) im Jahr 2005

Foto: AFP
Von: max w. Boeddeker

Gutachten zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche gab es immer wieder – doch der am Donnerstag veröffentlichte Bericht erschüttert die Grundfesten der Kirche und zeigt, auf welchem Höllenritt die Vertreter Gottes auf Erden seit Jahrzehnten unterwegs sind.

Schweigen, vertuschen, lügen. 497 Kinder und Jugendliche sind zwischen 1945 und 2019 von Priestern, Diakonen, Mitarbeitern der Kirche sexuell missbraucht worden.

Das vom Erzbistum München und Freising in Auftrag gegebene Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass viele dieser Missbrauchsfälle nicht ernst genommen und verfolgt wurden.

▶︎ Die Hauptverantwortlichen: die ehemaligen Erzbischöfe Friedrich Wetter (93) und Joseph Ratzinger (94), der heute emeritierte Papst Benedikt XVI.

Reinhard Marx (68), Kardinal der römisch-katholischen Kirche, Erzbischof von München und Freising

Reinhard Marx (68), Kardinal der römisch-katholischen Kirche, Erzbischof von München und Freising

Foto: Felix Hörhager/dpa

Ich selbst wurde als 15-Jähriger von einem Pater mehrfach missbraucht. Nach 30 Jahren gefräßiger Seelenqualen und schmerzhafter Therapien hatte ich vor 13 Jahren endlich den Mut, Anzeige zu erstatten – und geriet in den verwirrenden Strudel aus elenden Lügen und infamer Einschüchterung, säuselnder Besänftigungen und vorsätzlicher Falschaussagen.

Der „ehrwürdige“ Pater ging straffrei aus – und schnurstracks in den Vatikan! Sein Aufstieg war für mich damals blanker Hohn und ein Blick in eine Hölle voller gefalteter Hände.

Es mag paradox klingen, aber gerade deshalb ist das Gutachten ein Segen! Es spiegelt das Bild einer Kirche wider, die ihre gottgegebenen Werte verraten hat – unbarmherzig mit den Opfern, barmherzig mit den Tätern.

Jetzt ist das Lügengebäude krachend zusammengestürzt. Aus den rauchenden Trümmern steigt der amtierende Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx (68), und verkündet mit Engelszungen, wie „erschüttert und beschämt“ er sei.

Den Mut, persönlich für Versäumnisse und Straftaten an Hunderten von Kindern und Jugendlichen geradezustehen, hatte aber auch er nicht.

Marx war bei der Präsentation des Gutachtens nicht anwesend. Dabei wäre genau DAS für die Betroffenen und die Kirche ein mutiges Zeichen gewesen: ein Kardinal, der sich öffentlich stellt.

Eine Verantwortungsverdrängung auf höchster Ebene, wie sie schon von Marx’ Vorgängern praktiziert wurde. Kardinal Friedrich Wetter bestreitet nicht einmal, von Missbrauchsfällen gewusst zu haben, ein Fehlverhalten seinerseits will er jedoch bis heute nicht erkennen können. Konsequenzen: keine!

▶︎ Und dann der ehemalige Papst und Kardinal Joseph Ratzinger. Wortreich beteuert er seine Unschuld. Als Vertreter des Allwissenden will er von nichts gewusst haben.

Joseph Ratzinger (94), zwischen 2005 und 2013 Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, emeritierter Papst

Joseph Ratzinger (94), zwischen 2005 und 2013 Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, emeritierter Papst

Foto: picture alliance / dpa

Er bestreitet sogar, an Sitzungen zu den Missbräuchen teilgenommen zu haben, obwohl er in den Protokollen genannt wird. Wie ein Höllenhund verteidigt der heilige Mann die Institution Kirche und sich selbst. Und lügt und sündigt und windet sich.

Die Würdenträger und Vertreter Gottes auf Erden zeigen sich teuflisch menschlich. Nicht einmal eine Entschuldigung bringen sie über die bibbernden Lippen. Die Kirche ist irreparabel beschädigt, erledigt, fertig mit der Welt.

Rainer Maria Woelki (65), Kardinal der römisch-katholischen Kirche, Erzbischof von Köln

Rainer Maria Woelki (65), Kardinal der römisch-katholischen Kirche, Erzbischof von Köln

Foto: Oliver Berg/dpa

Schon letzten März hat nach der Vorstellung eines Missbrauchsgutachtens für das Erzbistum Köln Kardinal Rainer Maria Woelki zwar persönliche Fehler eingestanden, einen Rücktritt aber abgelehnt.

Ich habe den Glauben an mein persönliches Gottesbild nicht verloren, wohl aber den Glauben an sein (mehrheitlich) entrücktes und abgehobenes Bodenpersonal.

Teaser-Bild

Foto: BILD
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