Zoff mit der EU eskaliert: Italien bleibt bei seinem Schulden-Haushalt

Luigi Di Maio am Ende der Kabinettssitzung am Dienstag in Rom

Luigi Di Maio am Ende der Kabinettssitzung am Dienstag in Rom

Foto: Andrew Medichini / dpa

Italien stellt sich stur und provoziert Europa!

Die italienische Regierung will entgegen der Forderung aus Brüssel nicht von ihren Schuldenplänen im kommenden Jahr abweichen. Die Haushaltspläne änderten sich nicht, erklärte Vize-Premierminister Luigi Di Maio am Dienstagabend nach einer Kabinettssitzung auf Facebook. Sowohl die angepeilten Zahlen zur Neuverschuldung als auch die Prognose zum Wirtschaftswachstum würden sich nicht ändern.

Um Mitternacht lief eine Frist der EU-Kommission aus, zu der Italien Korrekturen an seinem Budget-Entwurf präsentieren sollte. Ministerpräsident Giuseppe Conte hatte nur Stunden vor Ablauf angekündigt, fristgerecht eine Antwort nach Brüssel senden.

Der Inhalt ist leider nicht mehr verfügbar.

Nun lautet diese Antwort: NIENTE! NIX DA!

Der Zoff eskaliert damit gefährlich: Das Land steuert nun auf ein Defizitverfahren zu, das die Kommission bald einleiten könnte. Dabei könnten die EU-Partner Italien mehr Haushaltsdisziplin verordnen. Verstößt Rom auch gegen diese Vorgaben, dürften die Finanzminister theoretisch finanzielle Sanktionen verhängen.

Kern des Streits: Italien peilt im kommenden Jahr eine Neuverschuldung von 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung an. Doch weil die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone schon jetzt sehr hoch verschuldet ist, stemmt sich die EU-Kommission dagegen.

Hinzu kommt, dass nach Einschätzung Brüssels die Wachstumsprognose Roms zu optimistisch ausfällt, weshalb befürchtet wird, dass das Defizit noch höher ausfällt. Die EU hatte den Budgetentwurf aus Rom in einem historisch einmaligen Schritt vor drei Wochen abgelehnt und eine Überarbeitung gefordert.

Dabei hat Italien die zweithöchste Schuldenquote aller Euro-Länder nach Griechenland: 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – mehr als doppelt so viel wie nach EU-Regeln erlaubt. Trotzdem will die Regierung in Rom das Wachstum unter anderem mit Steuersenkungen und höheren Sozialausgaben ankurbeln.

Die populistische Regierung in Rom hatte erklärt, sie wolle mit einem Ausgabenpaket Wahlversprechen einlösen und dafür die Ausstattung des Haushalts um 38 Milliarden Euro erhöhen – den Großteil über weitere Schulden finanziert.

Merkel hofft auf Einigung

Die Euro-Finanzminister hatten sich zuletzt hinter die Einschätzung der Kommission gestellt, dass Italien seinen Kurs ändern muss. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Dienstag noch auf eine Lösung gehofft: „Wir wollen Italien die Hand reichen, ich sage das ausdrücklich“, sagte Merkel.

Gleichzeitig mahnte sie aber auch: Der Euro könne als Währung nur funktionieren, wenn jedes einzelne Mitglied seine Verantwortung für tragfähige Finanzen auch zu Hause erfülle. „Wer darauf setzt, Probleme alleine durch neue Schulden zu lösen, und eingegangene Verpflichtungen missachtet, der stellt die Grundlagen für die Stärke und die Stabilität des Euro-Raumes in Frage“, sagte Merkel, ohne die Regierung in Rom direkt anzusprechen.

IWF stellt Italien schlechtes Zeugnis aus

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat Italiens schuldengeplagter Wirtschaft ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. „Das reale persönliche Einkommen ist auf dem Niveau von vor zwei Jahrzehnten, die Arbeitslosigkeit liegt im Berichtszeitraum um die zehn Prozent, und die Lebensbedingungen für Menschen mittleren Alters und jüngere Generationen sind erodiert“, heißt es im turnusmäßigen Bericht des Weltwährungsfonds. Der Wegzug von Italienern in andere Länder sei auf einem Fünf-Jahres-Hoch.

Sollte Italien an diesem Paket festhalten, prognostiziert der IWF mittelfristig negative Effekte. Die Staatsausgaben etwa für Renten – die zweithöchsten in der Eurozone – fräßen schon jetzt wichtige Ressourcen. Das Wachstum würde bei nur einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für die Jahre 2018 bis 2020 liegen, danach würde es weiter fallen.

Düstere Aussichten

Die Neuverschuldung werde bei 2,66 Prozent im Jahr 2019 liegen und bei 2,8 bis 2,9 Prozent in den Jahren 2020 und 2012. Damit läge Italien noch innerhalb der offiziellen Maastricht-Grenzen für die Neuverschuldung, käme aber nicht von seiner hohen Gesamtverschuldung von prognostizierten 130 Prozent des BIP für die nächsten drei Jahre herunter. Die Zielmarken für die Neuverschuldung lägen eigentlich bei 2,1 Prozent beziehungsweise 1,8 Prozent für die Jahre 2020 und 2021.

Der IWF rät Italien dringend, mehr Voraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum zu schaffen. Dies sei von der Regierung auch so erkannt. „Strukturreformen, um die Produktivität zu erhöhen und Italiens Potenzial freizusetzen, haben übergeordnete Priorität“, heißt es in dem Bericht der IWF-Experten nach ihrer jährlichen Bestandsaufnahme. „Schnelleres potenzielles Wirtschaftswachstum ist der einzig nachhaltige Weg, um wirtschaftliche Ergebnisse zu verbessern.“

Die EZB könnte weiter Billig-Geld pumpen als geplant

Die Haushaltskrise in Italien könnte die EZB nach Ansicht der Deutsche-Bank-Fondstochter DWS zu einer Fortsetzung ihrer Anleihekäufe bringen. „Die Überraschung für die Märkte könnte nächstes Jahr sein, dass die EZB sie nicht auslaufen lässt“, sagte Georg Schuh, DWS-Investment-Chef für Europa, den Nahen Osten und Afrika, am Dienstag bei einer Brachenveranstaltung der Nachrichtenagentur Reuters in London. Bisher wird davon ausgegangen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zukäufe von Euro-Staatsanleihen zum Jahresende auslaufen lässt.

Diese in Fachkreisen als „Quantitative Easing“ (Lockerung der Geldmenge) bekannten Maßnahmen sollten Banken dazu bewegen, mehr in Kredite an die Wirtschaft zu investieren. Damit sollte die Konjunktur in der Euro-Zone angekurbelt werden.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.