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Arno Frank

Trump vs. Twitter Der große Trompeter ist kein Freund der Musik

Arno Frank
Ein Kommentar von Arno Frank
Donald Trump will Twitter stärker regulieren. Ganz daneben liegt er damit nicht. Doch wie so oft behandelt der US-Präsident ein tatsächlich vorhandenes Problem nicht mit dem Ziel, es zu lösen.
Donald Trump

Donald Trump

Foto: JIM WATSON/ AFP via Getty Images

Der Kampf Trump vs. Twitter sieht auf den ersten Blick aus wie die moderne Variante der alten Konkurrenz Macht gegen Medium. In liberalen Demokratien soll die öffentliche Kontrolle der Mächtigen stattfinden, und daraus ergeben sich naturgemäß Interessenkonflikte. In Wahrheit handelt es sich um einen derjenigen Fälle, wo sich eine Aussage so plausibel anhört, wie sie falsch ist. Denn eigentlich kämpft hier der 45. Präsident der Vereinigten Staaten gegen das Herzstück der Demokratie: Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich.

Trump setzte sich mit Beleidigungen und sogar hetzerischen Lügen systematisch über die Nutzungsbedingungen hinweg. Eine Einschränkung seines Accounts aber hatte Trump, anders als gewöhnliche Nutzer, nicht zu befürchten. Bisher. 

Wie John F. Kennedy der erste Farbfernsehpräsident war, ist Donald Trump der erste Twitterpräsident. Mit sicherem Instinkt macht sich Trump zunutze, dass sich die meisten sozialen Medien auf viele unterschiedliche Arten und Weisen gebrauchen und missbrauchen lassen. Für Trump ist Twitter nicht nur der direkte Draht zu seiner Anhängerschaft. Mit seinen getwitterten Ankündigungen gestaltet er auch den Nachrichtenzyklus der etablierten Medien nach Belieben. Und die haben auch nach vier Jahren immer noch kein ausreichend gut funktionierendes Gegenmittel gefunden. Deshalb überlegt Trump laut, ob er Grönland kaufen solle, und die ganze Welt spricht nur noch darüber. 

Zwischen Twitter und Trump existierte eine Art Hassliebe mit gegenseitigem Nutzen: Trump hat ein Megafon, das weltweit funktioniert, und Twitter bekommt eine ungeahnte Relevanz verliehen. Welche Regierung der Welt könnte es sich leisten, nicht genau zu beobachten, was Trump gerade auf Twitter schreibt?

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Und trotzdem geht es hier nicht um Macht versus Medium. Denn Twitter ist kein Medium, sondern eine Plattform, und gehorcht deshalb anderen Gesetzen. Ganz buchstäblich sogar: Praktisch geht es um ein Gesetz von 1996, sozusagen aus den Anfangstagen des allgemein nutzbaren Internets. Ein Artikel ("Section 230") darin sprach die Anbieter "interaktiver Computerdienste" von jeglicher Verantwortung darüber frei, was Dritte dort möglicherweise veröffentlichen könnten. Es ist eine zentrale Säule der Meinungsfreiheit im Netz.

Trump kämpft für die Freiheit der Meinung - seiner eigenen

Auf diesen Passus berufen sich Twitter und vergleichbare Dienste, wenn sie sich als neutrale Plattform bezeichnen. Als digitale Postzusteller, die nichts angeht, was in den transportierten Briefen steht. Aber schon diese Metapher ist Teil des Problems: Sie wird der Andersartigkeit von Plattformen nicht gerecht. Viele, wenn nicht die meisten Internet-bezogenen Gesetze scheitern an der so schlichten wie gefährlichen Tatsache, dass wir noch nicht herausgefunden haben, wie man Plattformen richtig reguliert.

Diese politische Hilflosigkeit, in den USA ebenso zu beobachten wie in der EU, macht sich Trump zunutze. Natürlich kämpft er nicht ernsthaft für Meinungsfreiheit - er kämpft ausschließlich für die Freiheit seiner eigenen Meinung. Er nennt sie "konservativ", damit es seinen Fan-Truppen leichter fällt mitzustreiten. Man erkennt Trumps Bigotterie daran, dass er der Erste und Lauteste ist, wenn es um die Einschränkung der Meinungsfreiheit eher liberaler Medien wie "New York Times" oder CNN geht. 

Es gibt, was "Fact Checking" bei Plattformen angeht, keine jahrzehnte- oder gar jahrhundertelang eingeübte Praxis wie in anderen publizistischen Bereichen. Es ist abseits von Donald Trump nicht einmal völlig klar, ob "Fact Checking" überhaupt ein sinnhaftes Instrument für Plattformen ist.

Trump vs. Twitter schlägt einen Pfad in den Neuland-Dschungel, denn neuerdings macht Twitter Ernst und seine Regeln auch gegenüber präsidialen Tweets geltend. Worauf Trump ebenfalls Ernst macht und per juristisch fragwürdiger Exekutivanordnung die Regeln für soziale Netzwerke einer Prüfung unterziehen will.

Aus guten Gründen kann man sich heute bemühen, Plattform-Betreiber in die Pflicht zu nehmen und zu fragen, welche Mitverantwortung zum Beispiel Facebook hat, wenn durch Fake News überbordender Hass und Hetze verbreitet wird. Aus guten Gründen kann man aber auch das Gegenteil fordern, die Freiheit im Netz so wenig einzuschränken wie irgend möglich, denn sie ist ohnehin stark gefährdet - sei es durch rein marktorientierte und irrtumsanfällige Algorithmen oder diktatorische Regimes.

Eine Schlacht ohne Gewinnmöglichkeit für die Zivilgesellschaft

An diese Ambivalenz, an dieses Dilemma rührt der Streit zwischen Trump und Twitter. Er geht weit darüber hinaus, dass der Instrumentenbauer dem großen Trompeter seine Lieblingstrompete stopfen will. Wie wenig handelsübliche Werkzeuge dazu geeignet sind, verdeutlicht in Deutschland beispielsweise die Absurdität um das "Netzwerkdurchsetzungsgesetz". Von Januar bis Juli 2019 gab es auf Grundlage des sogenannten NetzDG unglaubliche 674 Beschwerden an Facebook. Im Kontrast wird die Untauglichkeit des Gesetzes deutlich, denn in diesem Zeitraum hatte Facebook 23 Millionen aktive Nutzer in Deutschland - und zwar jeden einzelnen Tag aufs Neue.

Es steht außer Frage, dass endlich funktionierende Regeln für soziale Netzwerke gefunden werden müssen. Aber Trumps Ankündigung, die Axt an "Section 230" legen zu wollen, wird deshalb auf keinen Fall den sinnvollen Zweck der Regulierung erfüllen, sondern dient allein seinen eigenen Interessen. Wie schon oft behandelt er ein tatsächlich vorhandenes Problemfeld, aber eben nicht mit dem Ziel, das Problem zu lösen, sondern nur, um seine Macht zu stärken. Trump versus Twitter ist deshalb eine Schlacht ohne Gewinnmöglichkeit für die Zivilgesellschaft: Was politisch schiefläuft, kann mit technischen Mitteln nicht gerade gebogen werden. Und mit technokratischen erst recht nicht.