Irgendwann ist Schluss. Irgendwann nehmen einem die Wähler die ständige Vertröstung auf eine „europäische Lösung“ der Migrationsfrage nicht mehr ab. Irgendwann wird das Problem auf die klassische Manier gelöst, nämlich mit nationalem Grenzschutz. Und dann ist das offene Schengen-Europa nur noch eine halbe Seite im Geschichtsbuch. Das hat nun auch Außenministerin Annalena Baerbock erkannt, die als deutsche Grüne für die migrations-enthusiastischste Bevölkerungsgruppe Europas steht.
Deswegen stellte sie sich nun hinter den Reformplan der EU-Kommission, nach dem künftig Schutzsuchende mit geringer Anerkennungschance bereits in Zentren an den EU-Außengrenzen ihr Verfahren durchlaufen sollen. Der Kommissionsvorschlag, so Baerbock, sei die einzige Chance, auf absehbare Zeit zu einem „geordneten und humanen Verteilungsverfahren“ zu kommen. Wenn dies nicht gelinge, werde „ein EU-Land nach dem anderen“ die Grenzen hochrüsten.
Der Plan funktioniert aber nur dann, wenn die in den Zentren Abgelehnten in relevanter Zahl auch abgeschoben werden und wenn die Ankömmlinge mit hoher Schutzchance auf viele Staaten verteilt werden.
In der Vergangenheit waren Vorstöße in Sachen Verteilung seitens der EU-Kommission sowie der aufnahmewilligen Staaten immer gescheitert. 2016 hatte die EU-Kommission einen Reformvorschlag vorgelegt, nach dem Staaten pro nicht aufgenommenem Asylbewerber 250.000 Euro an den EU-Mitgliedstaat zahlen sollten, der ihn stattdessen unterbringt. Mit diesem „Fairness-Mechanismus“ wollte man dafür sorgen, dass die Belastung für die Hauptankunftsländer nicht zu groß wird.
Beim derzeitigen Versuch, eine Migrationseinigung zu finden, geht die Kommission nun sehr schlau und behutsam vor und schreibt nur 22.000 Euro auf das Preisschild. Wenn die Verteilungsgegner im Osten Europas jetzt nicht zugreifen, was sich schon wieder abzeichnet, dann war es das wohl mit der „europäischen Lösung“.
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