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Ausland Erdogans Durchmarsch

Putin gratuliert schnell, Europa schweigt erst mal

OSZE berichtet über Ablauf der Wahlen in der Türkei

Bei den Wahlen in der Türkei hat Erdogan die absolute Mehrheit erreicht. Es gibt Manipulationsvorwürfe. Die Wahlbeobachter der OSZE schildern bei einer Pressekonferenz in Ankara ihre Eindrücke.

Quelle: WELT

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Nach dem Wahlsieg des Präsidenten in der Türkei herrscht beredte Stille in Europa. Kein Jubel, Abwarten – und dass man die Beitrittsverhandlungen zur EU jetzt ganz kritisch sieht. Schließlich sei die Türkei keine Demokratie mehr.

Im Kreis der EU-Außenminister zählt der Luxemburger Jean Asselborn zu den Mutigsten und Offenherzigsten. Und so war es wieder einmal er, der sich nach der Wahl der Türkei als erstes Regierungsmitglied eines EU-Landes mit einem Kommentar aus der Deckung wagte. Am Rande eines EU-Ministertreffens in Luxemburg übte Asselborn Kritik am Durchmarsch von Recep Tayyip Erdogan – aber in höchst diplomatischer Formulierung, gewürzt mit einem Schuss Sarkasmus. „Herr Erdogan ist ja jetzt ein allmächtiger Mann, nicht nur de facto, sondern auch formell“, so Asselborn.

Der Präsident habe nun „alles in seinen Händen“. Dazu gehöre auch die Macht, den Ausnahmezustand im Land zu beenden, der seit dem Putschversuch 2016 anhält, Inhaftierte freizulassen und das Verhältnis zu Europa „auf eine andere Schiene zu setzen“. Erdogan habe von Demokratie gesprochen. „Jetzt kann er das zeigen.“

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte als Erster unter den mächtigsten Regierungschefs der Welt Glückwünsche nach Ankara geschickt. In einem Telegramm bezeichnete Putin das Wahlergebnis als Beweis für die politische Autorität Erdogans und seine breite Unterstützung in der Bevölkerung. Putin und Erdogan haben sich im vergangenen Jahr mehrfach getroffen und telefonieren auch regelmäßig miteinander, um ihre Staaten enger aneinander zu binden.

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Noch am Sonntagabend gratulierte auch der kosovarische Präsident Hashim Thaci per Twitter. „Takbir ederiz!“ (Wir sind ein Team), schrieb er und freute sich schon mal auf eine „weiterhin gute Zusammenarbeit“. Die beiden Staaten seien in allen Bereichen strategische Partner.

Aus der EU sind bei allen außenpolitischen Divergenzen solche Jubeltöne nicht zu vernehmen. Regierungsangehörige halten sich nach Wahlen ohnehin meist mit Reaktionen zurück. Dennoch wird sich nun für die EU das Problem stellen, wie sie mit der Türkei weiter umgehen sollte. Schließlich ist die Türkei ein Verbündeter, den sie nicht ohne Weiteres fallen lassen kann. Entsprechend vorsichtig fiel die Reaktion der EU-Kommission aus: Brüssel hoffe, dass die Türkei „weiterhin ein engagierter Partner der EU in wichtigen Fragen von gemeinsamem Interesse wie Migration, Sicherheit, regionale Stabilität und Bekämpfung des Terrorismus bleiben wird“, sagte ein Sprecher.

Doch zugleich werden die Beziehungen noch angespannter sein als zuvor. Nicht nur kann Erdogan seine erweiterten Befugnisse wie die Einsetzung von Verfassungsrichtern nun auch mit rechtlicher Absicherung dauerhaft anwenden. Bisher gelang das nur mithilfe des Ausnahmezustands. Auch würde es die Opposition und AKP-kritische Bürger hart treffen, wenn die EU ihre Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beenden würde, weil auf diesem Weg weiterhin auch finanzielle Hilfe etwa an Bürgerrechtler fließen kann.

„EU lässt Demokratie-Befürworter nicht im Stich“

Daran erinnert auch der EU-Abgeordnete Knut Fleckenstein, außenpolitischer Sprecher der Sozialdemokraten im Europaparlament. Die Wiederwahl Erdogans sei kein gutes Zeichen für die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei, angesichts des anhaltenden Niedergangs von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im Land. „Zugleich dürfen wir nicht vergessen, dass sich viele Bürger trotz der einseitigen Kampagne für die Demokratie im Land einsetzen.“

Die Demokratie-Befürworter in der Türkei müssten wissen, dass die Europäische Union sie nicht im Stich lasse. Statt allerdings die Regierung um Erdogan weiterhin über EU-Finanzhilfen mitentscheiden zu lassen, müsse die EU diejenigen, die eine andere Türkei wollten, direkt unterstützen.“

Die CDU-Europaparlamentarierin Renate Sommer spricht sich dagegen klar für einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen aus. Die Grundlage dafür sei nicht mehr gegeben, da die Türkei keine Demokratie mehr sei, seit der Präsident mit der Verfassungsreform am Parlament vorbei regieren könne.

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Sommer sieht die Zukunft des Verhältnisses EU-Türkei daher in einer Zollunion. „Wir bewegen uns künftig auf der Ebene der Handelsbeziehungen.“ Allerdings müssten auch für eine neue Zollunion, der das EU-Parlament zustimmen müsse, rechtsstaatliche Grundsätze und die Menschenrechte geachtet werden.

„Wir haben Parallelgesellschaften, und darüber muss man reden“

Cem Özdemir verurteilt Deutschtürken, die hier in der Demokratie leben, die Vorzüge der Meinungsfreiheit genießen, und dann in einem Land, in dem sie nicht leben einen autoritären Herrscher stärken. Und er zieht Vergleiche zu Russlanddeutschen oder AfD-Wählern.

Quelle: WELT

Die grüne Türkei-Expertin Rebecca Harms sieht derzeit ebenfalls keine Perspektive für eine EU-Mitgliedschaft der Türkei und fordert eine offizielle Aussetzung der Beitrittsverhandlungen. Außerdem fordert sie Präsident Erdogan auf, seine Wahlversprechen einzuhalten und den Ausnahmezustand aufzuheben.

Ihr Parteifreund Reinhard Bütikofer sieht hier auch die EU in der Pflicht: Die Europäische Union müsse die türkische Regierung nun kräftig unter Druck zu setzen, damit inhaftierte Oppositionelle so schnell wie möglich freikämen. Nach wie vor sei die Türkei das weltgrößte Gefängnis für Journalisten. „Sultan Erdogan hat diese Runde gewonnen. Aber der Kampf für Demokratie in der Türkei geht weiter.“

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