Seit Tagen hatte es in Madrid kein anderes Thema gegeben. Das Achtelfinal-Duell in der Königsklasse zwischen Atlético Madrid und Juventus Turin (2:0) wurde zur One-Man-Show: Alles drehte sich um Cristiano Ronaldo und dessen erste Rückkehr in die spanische Hauptstadt. Entsprechend aufgeladen war die Atmosphäre, als der deutsche Schiedsrichter Felix Zwayer die Partie anpfiff.
Bei jedem Ballkontakt pfiffen die Atlético-Fans den langjährigen Torjäger von Lokalrivale Real Madrid aus. Auf der Tribüne wurde sogar eine Gummipuppe herumgereicht, die ein Juventus-Trikot mit der Rückennummer sieben trug. Und sie hatten mit ihren Schmähungen Erfolg.
Abgesehen von einem Freistoß, den Atlético-Schlussmann Jan Oblak stark parierte (8.), brachte der 34-Jährige wenig zustande. Im Gegenteil: Im zweiten Durchgang wurde der fünfmalige Weltfußballer zur tragischen Figur.
Die Hausherren, die nach dem Seitenwechsel klar überlegen waren, entwickelten vor allem über Standardsituationen große Torgefahr. Wenige Minuten nach dem Führungstreffer durch José María Giménez (78.) bekam Atlético erneut einen Freistoß zugesprochen. Der Ball von Antoine Griezmann wurde mehrfach abgefälscht und landete schließlich vor den Füßen von Abwehrchef Diego Godin. Der Atlético-Kapitän bugsierte die Kugel aus spitzem Winkel in Richtung Tor. Dabei schoss er Ronaldo an, der den Ball unglücklich über die Linie ins Netz lenkte.
Das war offenbar zu viel für Ronaldo, der anschließend genervt abwinkte. In den Katakomben des Wanda-Metropolitano-Stadions, in dem im Frühjahr auch das Endspiel der Königsklasse stattfinden wird, brannten ihm endgültig die Sicherungen durch.
Ronaldo legt sich mit Reportern an
Als er von spanischen Reportern um sein Fazit zum Spiel gebeten wurde, winkt der Portugiese ab und gab eine Geste als Antwort. Höhnisch hob er fünf Finger, um den Fragestellern die Anzahl seiner Champions-League-Triumphe zu signalisieren. Anschließend formte er mit denselben Fingern eine Null und sagte: „Und so viele Titel habt ihr“. Allein zweimal (2014 und 2016) hatte Ronaldo Atlético im Endspiel die Trophäe entrissen.
Mehrfach wiederholte er seine Worte, ehe er aus der Mixed Zone entschwand. „Ronaldo attackiert Atlético“, schrieb die Zeitung „El Mundo“ und sprach von einer „wütenden Botschaft“ des Portugiesen.
Mit einer ähnlichen Geste hatte Ronaldos ehemaliger Real-Kollege Gareth Bale im Stadtderby vor anderthalb Wochen die Atlético-Fans provoziert. Der spanische Verband nahm daraufhin Ermittlungen auf, dem Waliser droht eine lange Sperre.
Um das große Ziel, den sechsten Titel in der Champions League, nicht frühzeitig aus den Augen zu verlieren, brauchen Ronaldo und seine Teamkollegen in drei Wochen eine deutliche Leistungssteigerung sowie einen Sieg mit zwei Toren Vorsprung.
Und Ronaldo weiß: Sollte er tatsächlich im Achtelfinale ausscheiden – so früh wie seit neun Jahren nicht – platzt wohl auch der Traum vom sechsten Weltfußballer-Titel. Damit wäre er alleiniger Rekordhalter vor seinem ewigen Rivalen Lionel Messi vom FC Barcelona.