Es war ein abruptes Ende auf der größten Bühne des Sports. Und doch irgendwie passend. Lindsey Vonn hatte in ihrem letzten Olympia-Rennen noch einmal die große Chance auf eine Medaille. In der Super-Kombination hatte sie die Abfahrt souverän gewonnen und stand nun vor dem Slalom im Starthäuschen. Die Amerikanerin sollte nicht weit kommen.
Nach ein paar Sekunden zerstob der Traum vom Happy End einer „großartigen Reise“: Als Vonn nach wenigen Toren einfädelte, war eine unerwartet noch mögliche Medaille zum Abschied futsch. Sie hob die Arme in die Höhe, fuhr ins Ziel – und umarmte drei glückliche Konkurrentinnen: Michelle Gisin (Schweiz), Mikaela Shiffrin (USA) und Wendy Holdener (Schweiz).
So bitter und profan das Olympia-Ende war, so gefasst war Vonn auf einmal. Tränen, nein, Tränen gab es diesmal nicht. „Alle Tränen sind bereits geflossen“, sagte Vonn, die den Skizirkus seit vielen Jahren dominiert, bei Olympischen Spielen aber selten Glück hatte. Viermal nahm sie teil, einmal musste sie verletzt passen. Ihre Bilanz: Einmal Gold, zweimal Bronze.
Am Mittwoch, da hatte die 33-Jährige in der Abfahrt Rang drei belegt hinter Sofia Goggia (Italien) und der Norwegerin Ragnhild Mowinckel, „und für mich war das wunderbar“, betonte sie. Okay, sie werde vielleicht später nochmal weinen, aber „im Moment bin ich trockengelegt“. Dass es in der Kombination kein Happy End auf dem Podest gab – geschenkt.
„Es war eine großartige Reise“
Nach dem letzten olympischen Rennen ihrer außergewöhnlichen Karriere begann Vonn ein wenig zu philosophieren, und sie machte deutlich, dass sie in Pyeongchang auch ohne Gold in der Abfahrt oder eine zweite Medaille viel gewonnen habe. „Ich nehme eine Menge Erinnerungen mit“, vor allem mit den Teamkollegen. „Wenn du älter bist, hast du eine andere Wertschätzung für das Leben und die Erfahrungen, die du gemacht hast“, sagte sie erkennbar bewegt: „Es war eine großartige Reise.“
In ihrem letzten Rennen, wusste Vonn, hätte sie eine Art Wunder benötigt, vielleicht ein bisschen Hilfe von Opa Don, für den sie in Pyeongchang auch gefahren war, aber: „Dieses Wunder ist nicht passiert.“ Gold und Silber waren eh außer Reichweite, als sie fuhr, deswegen hatte die vor ihr in den Slalom gestartete Gisin, WM-Zweite von 2017, auch gejubelt – 0,97 Sekunden vor Top-Favoritin Shiffrin und 1,44 vor Weltmeisterin Holdener, das musste Gold sein.
„Als ich ins Ziel kam, war ich mir schon ziemlich sicher. Wenn ich Mikaela auf Abstand halten kann, dann heißt das schon was“, bestätigte Gisin. Vier Jahre zuvor hatte ihre ältere Schwester Dominique Gold in der Abfahrt gewonnen, zeitgleich mit Tina Maze (Slowenien). Als Vonn ausschied, atmete Weltmeisterin Holdener auf – allerdings hatte Vonn nach einer starken Abfahrt bereits ein Drittel ihres Vorsprungs auf die Schweizerin aufgebraucht.
Letztes Kombi-Gold der Olympiageschichte?
So ganz hatte Vonn an diese letzte, plötzlich gegebene Chance selbst nicht mehr geglaubt. „Ich bin nur die alte Frau, die versucht, sich an eine Medaille zu klammern“, sagte sie zwischen Abfahrt und Slalom und fügte hinzu: „Es war bis jetzt ein super Tag. Es war ein super Abschluss für meine olympische Abfahrtskarriere.“ In der Tat war ihr eine Fahrt gelungen, die sie tags zuvor besser in der Spezialabfahrt gehabt hätte.
Gisin wird nach den Siegen von Maria Höfl-Riesch 2010/2014 das elfte und letzte Kombi-Gold in den Händen halten, das bei Winterspielen vergeben wurde. Der Wettbewerb, der einzige bei der Olympia-Premiere der Alpinen 1936 in Garmisch-Partenkirchen mit den deutschen Siegern Christl Cranz und Franz Pfnür, wird in Peking aller Voraussicht nach nicht mehr ausgetragen. Ersetzt wird die Kombination wohl durch ein Parallel-Rennen.