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Die Silver Surfer bescheren Amazon und Co. ein neues Milliarden-Hoch

Wirtschaftskorrespondent
Die Ü60-Shopper, die in der Branche auch Silver Surfer genannt werden, sind nun die mit Abstand größte Kundengruppe im Versandhandel Die Ü60-Shopper, die in der Branche auch Silver Surfer genannt werden, sind nun die mit Abstand größte Kundengruppe im Versandhandel
Die Ü60-Shopper, die in der Branche auch Silver Surfer genannt werden, sind nun die mit Abstand größte Kundengruppe im Versandhandel
Quelle: Getty Images/Westend61
Online-Shopping ist in der Pandemie so beliebt wie nie zuvor. Besonders ältere Verbraucher erobern jetzt das Internet: Jeder dritte Käufer ist mindestens 60 Jahre alt. Einer anderen Gruppe geht hingegen das Geld für den Konsum im Netz aus.

Der Onlinehandel ist in der Corona-Krise noch mal schneller gewachsen als ohnehin schon üblich. Um fast 15 Prozent auf 83,3 Milliarden Euro legten die Bruttoumsätze 2020 zu, meldet der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (BEVH). Damit stammt nun schon mehr als jeder achte Euro der Haushaltsausgaben in Deutschland aus dem Internethandel.

Wachstumstreiber waren dabei die älteren Generationen: Fast jeder dritte Onlinekäufer ist laut einer aktuellen BEVH-Erhebung mindestens 60 Jahre alt. Zum Vergleich: Ein Jahr zuvor lag dieser Anteil noch bei lediglich einem Fünftel.

Quelle: Infografik WELT

Die Ü60-Shopper, die in der Branche auch Silver Surfer genannt werden, sind nun die mit Abstand größte Kundengruppe im Versandhandel. Als Grund für den sprunghaften Anstieg des Marktanteils sieht BEVH-Präsident Gero Furchheim dabei nicht nur die gewünschten Kontaktvermeidungen in der Corona-Krise. „Es gibt in dieser Altersgruppe längst auch eine viel größere Selbstverständlichkeit im Umgang mit dem Internet.“

Dazu passt, dass die zweitgrößte Kundengruppe mittlerweile die 50- bis 59-Jährigen sind. Auch sie haben 2020 wesentlich häufiger per E-Commerce eingekauft. Von 18,2 auf 24,7 Prozent ist der Marktanteil dieser Altersgruppe binnen zwölf Monaten gestiegen.

Die jüngeren Generationen dagegen verzeichnen zum Teil drastische Rückgänge, wie die BEVH-Verbraucherstudie zeigt. Bei den 14- bis 29-Jährigen zum Beispiel hat sich der Anteil fast halbiert von 20,4 Prozent im Vorjahr auf jetzt nur noch 12,4 Prozent. „Studenten wurden von der Corona-Krise hart getroffen“, erklärt Furchheim. „Viele von ihnen haben ihren Nebenjob verloren. Dadurch können sie sich auch viel weniger leisten.“

Furchheim sieht in der Verschiebung aber ohnehin eine fast schon zwangsläufige Entwicklung. „Die Jungen waren in der Statistik lange Zeit überrepräsentiert, weil sie von Anfang an keine Berührungsängste hatten und den E-Commerce dementsprechend früher ausprobiert haben“, sagt der Unternehmer, der abseits seiner Verbandstätigkeit den Designmöbelversender Cairo führt. Nun werde die gängige Kaufkraftverteilung in Deutschland auch im Onlinehandel abgebildet. „Die Branche ist damit endgültig in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“

Quelle: Infografik WELT

Darauf deutet dem BEVH zufolge aber auch die Entwicklung bei den einzelnen Warengruppen hin. Denn besonders dynamisch war das Wachstum bei den Artikeln des täglichen Bedarfs, also beispielsweise Lebensmittel, Drogeriewaren oder Medikamente.

Um fast 41 Prozent auf bald sieben Milliarden Euro sind die Umsätze mit Produkten aus diesem Cluster im vergangenen Jahr gestiegen, zeigt die Statistik – dabei waren sowohl Supermärkte und Discounter als auch Drogeriemärkte und Apotheken im Gegensatz zum Großteil des restlichen Einzelhandels während der Corona-Krise stets geöffnet. Starke Zuwächse verzeichnen aber auch die ohnehin schon volumenstarken Branchenbereiche wie Unterhaltung oder Bekleidung, die 2020 auf Bruttoumsätze in Höhe von 29 beziehungsweise 22 Milliarden Euro kamen.

Stark verloren haben hingegen wenig überraschend Dienstleistungsbuchungen im Internet, allen voran für Reisen, Hotelübernachtungen, Bahnfahrten, Mietwagen oder Eventtickets, etwa für Konzerte und Sportveranstaltungen oder für Theater und Kinos. Die entsprechenden Einnahmen, die nicht in den gemeldeten Warenumsätzen von 83,3 Milliarden enthalten sind, haben sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als halbiert, konkret von 19,6 Milliarden Euro auf nur noch 9,2 Milliarden. Und der Großteil dessen stammt noch aus dem ersten Quartal. In den kommenden Jahren dürfte sich dieses Geschäft aber wieder stark beleben, glauben die BEVH-Verantwortlichen.

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Aber auch abseits der Dienstleistungen rechnet die Branche mit weiter stark wachsenden Geschäften. Schon 2021 soll der klassische E-Commerce erstmals die Marke von 100 Milliarden Euro überschreiten, prognostiziert der BEVH. Zumal drei von vier Onlinekunden laut Verbandsumfrage künftig mehr oder genauso viel im Internet bestellen wollen wie jetzt. Zum Vergleich: Vor einem Jahr hatte lediglich jeder zweite Käufer diese Absicht.

Paketsteuer trifft auch heimische Händler

„Die Entwicklung Richtung online wird sich nicht mehr umkehren“, sagt Martin Groß-Albenhausen, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des BEVH mit Blick auf eine anhaltende Debatte zum Thema Einkaufen der Zukunft. „Was wir jetzt erleben, ist das neue Normal.“

Die gesellschaftliche und politische Debatte müsse deshalb ihre Perspektive gründlich ändern, verlangt auch Unternehmer Furchheim. „Die Innenstädte und der Einzelhandel brauchen dieses digitale Fundament, um mit ihren stationären Angeboten den Kunden noch Mehrwerte zu bieten. Die Stadtentwicklung muss sich dieser Realität endlich stellen und diejenigen konsequent einbinden, die den neuen Handel gestalten.“

Zuletzt hatte sich die Politik eher gegen den Onlinehandel gestellt. CDU und CSU zum Beispiel haben eine Paketsteuer ins Spiel gebracht und dafür zum Teil auch aus anderen Parteien Zustimmung erhalten. Der stationäre Handel indes, der durch diese Abgabe eigentlich geschützt werden soll, positioniert sich sehr deutlich gegen diesen Vorschlag.

„Eine Paketsteuer träfe auch viele heimische Onlinehändler, die korrekte und pünktliche Steuerzahler sind. Zudem wäre das ein Bärendienst gegenüber dem Drittel der stationären Händler, die sich ein Onlinestandbein aufgebaut haben“, sagt Stefan Genth, der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE). „Diese Unternehmen steigern ihre Onlineumsätze deutlich und nutzen dabei auch große Internetplattformen. Die Zukunft des Handels liegt in der Kombination aus online und stationär vor Ort.“ Ein Gegeneinander-Ausspielen der Vertriebskanäle helfe dagegen nicht weiter.

„Eine Brücke zurück gibt es nicht“

Unterstützung kommt dabei auch von Martin Fassnacht, der an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Düsseldorf den Lehrstuhl für Strategie und Marketing leitet. „Die Politik muss Rahmenbedingungen für die Zukunft schaffen, nicht für die Vergangenheit“, äußerte er beim Kurznachrichtendienst Twitter. Eine Paketsteuer sei eine abstruse Idee. „Eine Brücke zurück gibt es nicht.“

Kleine Händler zieht es vor allem auf Onlinemarktplätze. 2020 wurde die Hälfte des Onlineumsatzes über Plattformen gemacht, wie es sie von Amazon gibt, aber auch von Handelsunternehmen wie Real oder Conrad Electronic. „Den meisten Stationärhändlern fällt es nicht leicht, eigene Relevanz im Netz zu erzeugen. Die meisten brauchen daher die Plattformen“, weiß Experte Furchheim. „Dadurch können auch kleinste Unternehmen online verkaufen.“

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Besonders groß ist der Zukauf dabei im Lockdown. Im Mode- und Schuhhandel bleiben durch die Ladenschließungen Hunderte Millionen Teile liegen. Als Saisonware haben diese Artikel aber ein Verfallsdatum. „Uns drückt der Warenbestand. Wir sind deswegen jetzt auf etliche Marktplätze gegangen“, berichtet Mark Rauschen, der geschäftsführende Gesellschafter von Lengermann & Trieschmann aus Osnabrück.

Rund 500.000 Artikel lägen derzeit in den eigenen Geschäften, die Mehrzahl sei aber schon online gestellt. Zum Verkauf in solchen Dimensionen reiche der eigene Onlineshop aber nicht aus, berichtet Rauschen. „Jogginghosen und Schlabberpullis sind praktisch ausverkauft. Bei den anderen Waren fehlt vielfach der Anlass für eine größere Nachfrage. Also müssen wir im Internet in die Breite gehen.“

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